Ein Tag an der Gedenkstätte

Mit einigen ehemaligen Never Forget-Aktivisten war ich heute wieder an der provisorischen Gedenkstätte der Loveparade-Tragödie. Wir haben alte, lieb gewonnene Freunde getroffen.

Ganz besonders haben wir uns über das Wiedersehen mit Herrn Johann gefreut. Es ringt einem immer wieder einen riesen Respekt ab, wenn man diesen Mann sieht, spricht und ihn einfach nur erlebt. Diese grandiose Persönlichkeit hört man nie jammern, obwohl er doch so krank ist. Mitleid verbietet er sich und hat auch mit Schmerzen immer ein besitzergreifendes verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Es ist erstaunlich, wie gut dieser Mann, der keinerlei Internet besitzt, doch immer auf dem Laufenden ist. Er trägt sein Schicksal und seine Krankheit mit einer Würde, vor der man sich nur ehrfurchtsvoll verneigen kann.
Trotz seiner schweren Krankheit kümmert er sich seit über einem Jahr um die Kerzen auf der Treppe der Gedenkstätte. Als noch der unwürdige Gedenkkubus stand, ließ er es sich auch dort nicht nehmen, immer wieder nach dem Rechten zu sehen. Er entsorgte die abgebrannten Kerzen, entfernte Müll und zündete immer eine Kerze an.

Eindrucksvoll auch eine Anekdote vom Jahrestag. Wir hatten die Treppe der Gedenkstätte so zugestellt und zugebaut, dass für Menschen kaum eine Möglichkeit bestand, die Treppe noch hoch zulaufen. Es war schon spät abends und dunkel, als Herr Johann noch einmal mit einer Kerze zur Treppe ging. Wir gingen zu ihm und fragten, was er denn jetzt noch an der Treppe wolle. Er teilte uns mit, dass er einer alten Freundin versprochen hat, für sie dort auf der Treppe eine Kerze abzustellen. Wir boten ihm an, dies für ihn zu übernehmen, da es für gesunde Menschen schon sehr gefährlich war, die Treppe im Dunkeln zu besteigen. Vehement weigerte er sich standhaft, dass wir ihm helfen. Er hat der Freundin das versprochen und wird sich das auch nicht nehmen lassen. Mit überaus besorgten Blicken verfolgten wir, wie dieser kleine Mann sich dort im Dunkeln durch die Kerzen, Blumen und Kreuze kämpfte und mittig der Treppe die Kerze seiner alten Freundin entzündete und abstellte. Als er wieder unten war, konnte man nur noch den Hut ziehen.
Eine Riesenpersönlichkeit in einem kleinen zierlichen Körper. Wir haben immer Wert auf seine Meinung gelegt und von daher tat uns das Gespräch mit ihm heute auch besonders gut. Ein Mann mit klaren Ansichten und offenen Worten.

Wir haben natürlich auch wieder Fotos von der provisorischen Gedenkstätte gemacht, die ich in meiner Bildergalerie eingestellt habe. Beim Anblick dieses Ortes kamen auch wieder die Erinnerungen an die vielen positiven Momente zurück, die man an dieser Stelle für sich bisher mitgenommen hat. Sie haben beim Verarbeiten der Erlebnisse vom Unglückstag sehr geholfen.

Wir werden sehen, wie es weiter gehen wird mit diesem Ort. Die Gespräche, die wir heute dort geführt haben, zeigten mir auch, wie wichtig es ist, Freunde zu haben. Sie stehen auch zu einem, wenn man mal einen Fehler gemacht hat und Schwäche zeigt, man muss nur zu diesen stehen. Stolz macht nicht reich, aber Freunde sind neben der Gesundheit der größte Reichtum, den ein Mensch haben kann.

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