Ehemalige Schüler und Mitschüler haben sich zu Björn Höcke zu ihren Erfahrungen mit ihrem ehemaligen Lehrer und Mitschüler geäußert.
„Ich hatte Björn Höcke von der 9. bis zur 11. Klasse als Sportlehrer, anderthalb Jahre davon auch in Geschichte. Mit politischen Äußerungen hielt er sich zurück, war nie offen rassistisch. Er wusste, was er als Lehrer sagen darf. Das Ausmaß seiner Gesinnung haben wir nicht geahnt. Aber es war klar, wo er steht. Seine Kinder tragen Vornamen aus der nordischen Mythologie, das haben wir damals zufällig erfahren und uns dann darüber lustig gemacht. Und einmal, bei der Fußball-WM 2006, trug ein Mitschüler ein Fan-Shirt der Nationalmannschaft, auf dem ‚Germany‘ stand. Er ging zu ihm und sagte ihm gut hörbar, dass er es nicht gut finde, dass das da auf Englisch stehe, und dass sich wohl niemand mehr ‚Deutschland‘ zu sagen traue.
Und ein paar Jahre später, 2015, sitzt Höcke bei ‚Günther Jauch‘ in der Talk-Sendung und legt sich eine Deutschland-Fahne über seinen Sessel. Das war am nächsten Tag auf dem Titel der Bild-Zeitung, das weiß ich noch genau. Das zu sehen, war für mich surreal. Besonders streng oder leistungsorientiert war er als Lehrer nicht, niemand, der gezetert oder mit dem Schlüsselbund nach einem geworfen hätte. Wenn man das Politische ausblendet, hätte er ein guter Lehrer sein können, war ruhig, wortgewandt, an den Schülern interessiert. Er mochte es, mit uns Ballsportarten zu spielen.
Angriffsfläche bot er kaum – nur die superkurzen Hosen, die er zum Sport trug, die sahen aus wie aus den 50er Jahren. Doch seine Einstellung war jedem klar.
Unsere Eltern sind Sturm gegen ihn gelaufen. Es gab sogar einen Elternabend dazu, wie man mit ihm umgeht. Ich habe nicht genau mitbekommen, wie es dazu kam, aber er durfte dann die vorgesehenen Stunden zum Nationalsozialismus bei uns nicht unterrichten. Als er uns das ankündigte, sprach er davon, dass gewisse Kräfte in der Schulleitung gegen ihn seien und relativierte den Holocaust: Unter Stalin seien soundso viele Millionen Menschen gestorben, unter Mao sogar soundso viele. Dennoch zweifle ich heute, ob die Schule alle Mittel gegen ihn ausgereizt hat. Dass man ihm verbot, das Thema zu unterrichten, zeigt ja, dass man schon damals Bescheid wusste. Aber dass er dann überhaupt noch Lehrer sein durfte, kommt mir seltsam und verlogen vor.
2010 habe ich Abi an der Rhenanus-Schule gemacht, erst 2013 gründete Höcke die Thüringer AfD mit. Doch schon damals zu meiner Schulzeit sprach er davon, eine Partei zu gründen. Ob das eine Art Vorläuferidee zur AfD war oder etwas anderes, weiß ich nicht. Aber heute muss ich immer wieder daran denken. Neulich hatten wir Klassentreffen. Fast allen geht es so wie mir: Man schämt sich, Höcke als Lehrer gehabt zu haben. Stolz bin ich nur darauf, dass aus unserer Stufe niemand rechtsextrem geworden ist.“
„Höcke hat das clever angestellt. Er war Sympathieträger, hat zum Beispiel beim Abistreich alles mitgemacht. Seine politischen Ansichten hat er nie direkt geäußert. Ich würde auch nicht sagen, dass sie immer schon so radikal waren wie heute. Da hat eine Entwicklung stattgefunden. Nach einiger Zeit habe ich bei ihm Untertöne wahrgenommen, die ich für problematisch gehalten habe. Im Geschichtsunterricht sagte Höcke immer wieder, man solle hinterfragen, was in den Geschichtsbüchern steht. Das ist an sich gut und richtig. Aber es ging schnell in eine bestimmte Richtung und zum Beispiel darum, ob das Deutsche Reich die Hauptschuld am Ersten Weltkrieg trug. Den Holocaust hat er nie geleugnet, aber uns aufgefordert, darüber nachzudenken, ob das alles so gewesen ist, wie es aufgeschrieben wurde.
Manche Schüler haben widersprochen und mit ihm darüber diskutiert. Für mich war klar, ich werde ihn in der Prüfung sitzen haben, da komme ich nicht drum herum. Ich wusste nicht, welche Richtung das genommen hätte, wenn jemand eine Beschwerde gegen ihn eingelegt hätte. Das ging anderen offenbar ähnlich, denn niemand hat es getan. Bis ein Disziplinarverfahren zu einem Ergebnis geführt hätte … und er ist ja bis heute Lehrer, wenn auch beurlaubt.
Zum Verfahren gegen ihn wegen des Verwendens einer verbotenen SA-Parole kann ich sagen, dass er über die deutsche Geschichte und den Nationalsozialismus einfach alles weiß. Er kennt jeden Jahrestag. Natürlich wusste er sehr genau, was er sagte.“ „Höcke war ein guter Lehrer. Ich hatte ihn im Sport-Leistungskurs und habe 2014 Abitur gemacht. Er hat sich sehr um seine Schüler gekümmert, war auf ihre Bedürfnisse bedacht – er hat uns sogar gefragt, ob es für uns okay ist, wenn er beim Sport seinen Pullover auszieht und im Unterhemd mitmacht. Andere Lehrer hätten das einfach getan, ist ja normal, dass man schwitzt.
Er war schlau und konnte genau auseinanderhalten, was er als Lehrer politisch sagen darf. Einmal, als schon bekannt war, dass er bei der AfD mitmacht, wollte ein Mitschüler ihn damit konfrontieren und hat ihm einen AfD-Flyer auf den Tisch gelegt. Er ist aber nicht drauf eingegangen, sondern hat gesagt, dass er darüber nicht in der Schule sprechen will. Nur beim Schweden-Austausch, als wir in einem Museum mit abstrakter Kunst waren, ist es mit ihm durchgegangen und er hat aus dem Stand eine kurze Ansprache gehalten, warum das keine gute Kunst sei und dass Kunst gegenständlich sein, etwas schaffen müsse. Den Sportkurs musste er nach Lehrplan unterrichten, aber eine Sache, die er selbst eingeführt hat, war der ‚Orientierungslauf‘. Da sollten wir Dinge im Gelände finden – der Sportplatz geht direkt in die Felder über, es ist sehr ländlich gelegen. Das ist auch ganz gut angekommen bei allen.
Dass er, sagen wir, alte Ansichten hat, wusste ich, aber ich hätte gedacht, er will ins Kaiserreich zurück. Dabei ist es ja wohl eher die NS-Zeit. Für mich war es ein Schock, als mir klar wurde, wer er wirklich ist, und als ich sah, wie er in der AfD aufstieg. Ich habe mich sehr in ihm getäuscht, ich habe es nicht erkannt. Ich zweifle an meiner Menschenkenntnis.“„Der Unterricht bei Björn Höcke hat Spaß gemacht. Er war einer der Jüngeren, engagiert, aber kein Laber-Lehrer, sondern strukturiert. Er legte zum Beispiel Wert darauf, dass sich alle hinstellten, wenn er in die Klasse kam. Ich hatte ihn zwei Jahre als Klassenlehrer in Geschichte und Sport. Politisch hat er sich bei uns nicht geäußert. Die NS-Zeit stand während der Zeit nicht auf dem Lehrplan, aber ich erinnere mich daran, dass er die Französische Revolution bis ins kleinste Detail durchgenommen hat.
Einmal kam er auf die Euro-Krise zu sprechen und riet uns: Investiert in Gold. Nur das sei sicher.„Der Unterricht bei Björn Höcke hat Spaß gemacht. Er war einer der Jüngeren, engagiert, aber kein Laber-Lehrer, sondern strukturiert. Er legte zum Beispiel Wert darauf, dass sich alle hinstellten, wenn er in die Klasse kam. Ich hatte ihn zwei Jahre als Klassenlehrer in Geschichte und Sport. Einmal kam er auf die Euro-Krise zu sprechen und riet uns: Investiert in Gold. Nur das sei sicher. Die nordischen Namen seiner Kinder waren bei uns Thema. Er hat das heruntergespielt – er habe eben ein Faible für solche historischen Dinge. In der sechsten oder siebten Klasse haben wir eine Klassenfahrt gemacht – zum Meißnerhaus, ein paar Kilometer entfernt, am Wald gelegen, abgeschottet in der Natur. Häufig hat er mit uns auch im Sportunterricht ‚Orientierungsläufe‘ im Gelände gemacht. Es sollte ein Gemeinschaftsgefühl entstehen, das für mich heute ein Geschmäckle besitzt.“
Stefan A.: „Natürlich hat man schon damals gemerkt, dass Höcke rechtsextrem ist. Ich habe 2009 Abitur gemacht, hatte ihn in der zwölften und 13. Klasse als Geschichtslehrer.
„Mancher Zungenschlag von damals klingt heute sehr vertraut. Nur dass solche Töne heute auch aus der AfD kommen. Björn Höcke treibt sie in Erfurt in schrille Höhen: „Ich fordere angesichts von Millionen Menschen, die unserer Kultur fremd sind, die überwiegend von Sozialleistungen abhängen und die oftmals weder integrationswillig noch integrationsfähig sind, eine Obergrenze von minus 200.000 im Jahr!“ Quelle
Er war zum Beispiel wütend über den Versailler Vertrag, sagte uns, bis heute, also in die 2000er Jahre hinein, müsse die Bundesrepublik noch Reparationen ableisten (Anm. d. Red.: Bis 1983 zahlte die BRD die restlichen Forderungen zurück. Von 1996 bis 2010 zahlte sie zusätzlich etwa 250 Millionen Mark in der frühen Nachkriegszeit angefallene Zinsen ab, deren Rückzahlung damals bis zur Wiedervereinigung Deutschlands ausgesetzt worden war.)
Das Grundgesetz sei bloß ein Gesetz und keine Verfassung. Er stritt also implizit der Bundesrepublik ihre Souveränität ab, ähnlich wie Reichsbürger es tun. Außerdem setzte er den Verfassungsschutz mit Gestapo und Stasi gleich – alle drei seien Inlandsgeheimdienste.
Er hat mit uns viel zur Weimarer Republik durchgenommen, zum Aufstieg der Nationalsozialisten. Den NS selbst hat er dann allerdings im Unterricht komplett übersprungen. In der letzten Schulstunde vor dem Abiturzeugnis, die Noten waren schon eingetragen, fragte ich ihn: Glauben Sie, dass der Holocaust stattgefunden hat? Er antwortete: Das sieht man ja schon an der Frage – das ist eine Glaubensfrage. Auf Nachfragen, wie er das meine, antwortete er, er wolle nicht mehr dazu sagen. Da war ihm wohl klar geworden, dass er doch ein Stück zu weit gegangen war.
Einmal habe ich ihn im Supermarkt mit der Frau des bekannten Neonazis Thorsten Heise sprechen sehen. Als ich ihn darauf ansprach, reagierte er gereizt: Man dürfe ja wohl miteinander befreundet sein, wenn die Kinder gemeinsam in den Kindergarten gingen. Auf Klassenfahrt wollte er nie in Großstädte fahren, sondern lieber im Harz den ganzen Tag wandern gehen. Ganz besonders hat er auf Berlin geschimpft, den Moloch, da wimmele es von Politikern. Deutschland habe das zweitgrößte Parlament der Welt nach China. Er forderte ein Ende der EU, auch der Euro sei zum Scheitern verurteilt. Mein Bruder, der ihn als Klassenlehrer hatte, kaufte sich für einige Hundert Euro eine Goldmünze, wohl unter seinem Einfluss.
Überrascht hat mich sehr, dass er heute als charismatischer Anführer auftritt und das offenbar in seiner Partei auch ist. Mir schien er damals als der Lehrer mit der geringsten Autorität von allen. Er war ein ziemlicher Lappen als Lehrer. Wir haben es einmal geschafft, dass der ganze Kurs bis auf einen Schüler die Doppelstunde bei ihm geschwänzt hat – weil wir wussten, wir haben nichts zu befürchten. Und wenn man verhandelte, bekam man immer eine Note besser.
Vielleicht sahen in ihm deshalb damals so wenige Eltern, Lehrer und Mitschüler ein ernsthaftes Problem. Noch dazu war er ein junger, gut aussehender Sportlehrer. Einige Mädchen schwärmten für ihn. Ich habe viel mit ihm diskutiert im Unterricht, ihm widersprochen, aber ich hatte immer das Gefühl, ich bin der Einzige. Auf die anderen wirkte er offenbar wie ein harmloser Spinner. Wobei mir bei einem Klassentreffen einige frühere Mitschüler sagten, er habe schon damals, 2008 oder 2009, gesagt, er wolle in Zukunft etwas Großes für unser Land tun.
Auch ich habe ihn unterschätzt: Als ich erfuhr, dass er in die AfD gegangen ist, dachte ich, er würde da ein Schwurbler werden, eine Randfigur – heute ist er das längst nicht mehr.
Aber dass er ein Faschist ist, habe ich immer gewusst.“